HÖRMANN Automotive entwickelt Fahrgestell nach dem Vorbild der Natur
Hinsichtlich seiner Topologie oval wie die Form einer Nuss oder Schildkröte, hierdurch in Bezug auf innenliegende Energiespeicher sicher und gleichzeitig leicht – das ist das neue Integral-Chassis-Konzept für leichte Nutzfahrzeuge der Hörmann Automotive GmbH. Das Konzept baut fertigungstechnologisch auf den Ergebnissen des erfolgreich abgeschlossenen Sonderforschungsbereichs 666 „Integrale Blechbauweisen höherer Verzweigungsordnung – Entwicklung, Fertigung, Bewertung“ der TU Darmstadt auf. Es bringt die dort erarbeiteten Technologien in eine Anwendung des Fahrzeugbaus für zukünftigen urbanen Lieferverkehr. Dabei nutzt es die verzweigten Blechstrukturen zur Realisierung neuer Schutzmechanismen für Energiespeicher von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben. „Für die Produktionsforschung ist die Umsetzung von Ergebnissen aus der wissenschaftlichen Forschung in industrielle Vor- und Serienentwicklungsprojekte eminent wichtig, um die Kohärenz von universitärer Forschung und aktuellen Herausforderungen industrieller Produktion sicherstellen zu können“, betont Professor Peter Groche, Leiter des Instituts für Produktionstechnik und Umformmaschinen (PtU) der TU Darmstadt und ehemaliger Sprecher des SFB 666.
„Wir haben uns bei der Chassis-Entwicklung an der Natur orientiert“, so Dr. Wolfram Schmitt, Leiter zentrale Forschung und Entwicklung bei der Hörmann Automotive GmbH: „Aus vorliegenden Studien ist bekannt, dass ovale Strukturen bei Anwendung im Fahrzeugchassis im Vergleich zu Rechteckstrukturen im Crash-Fall ein günstigeres Deformationsverhalten aufweisen können. So verleiht auch die Natur durch ovale Formen ihrem Innenleben einen besonderen Schutz. Diesen Mechanismus nutzen wir, um Energiespeicher alternativer Antriebe im Chassis zu schützen. So schaffen wir es, die Komplexität aktueller Schutzsysteme wie beispielsweise Batteriekästen zu reduzieren. Mit den Forschungsergebnissen des SFB 666 waren wir in der Lage, die ursprüngliche Idee in ein innovatives und zugleich wirtschaftlich attraktives Fertigungs- und Werkstoffkonzept umzusetzen.“
Kooperation mit TU Darmstadt und DLR
Die Chassis-Gesamtentwicklung entstand in einem Netzwerk, in welchem neben dem PtU der TU Darmstadt auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mitwirkte. Durch diese Kooperation konnte die ursprüngliche Idee der ovalen Formgebung durch topologische Optimierung bestätigt werden. Bei der fertigungstechnischen Umsetzung arbeitete man dann eng mit den Produktionsforschern der TU Darmstadt zusammen.
Dabei wurden – entsprechend der topologischen Grundidee und mittels der im SFB 666 erarbeiteten Methoden und Umformverfahren – nichtlineare Mehrkammerprofile aus Stahl entwickelt, welche die Schutzfunktion des innenliegenden Energiespeichers durch die Möglichkeit einer lastadaptiven Gestaltung sicherstellen. „Im Längsträger des Integral-Chassis werden die im SFB 666 gewonnenen Erkenntnisse beispielgebend genutzt, weil die Umformmechanismen des Spaltprofilierens nicht nur zur Ausbildung der integralen Verzweigung, sondern auch zur Krümmung der hochfesten Profile genutzt werden. Diese Kombination führt zu einer Erleichterung des Biegeprozesses und ermöglicht im Vergleich mit bisherigen Technologien deutlich verbesserte Formgenauigkeiten der verzweigten, nichtlinearen Strukturbauteile“, sagt Peter Groche.
Der entstandene Ansatz effizienten Strukturleichtbaus bringt wirtschaftlichen Nutzen und verspricht insbesondere vor dem Hintergrund der konsequenten Ausstattung von leichten Nutzfahrzeugen mit alternativen Antrieben einen vielversprechenden Weg. Diesen möchten das PtU Darmstadt und die Hörmann Automotive GmbH auch im Nachgang zur Präsentation des Fahrzeugkonzepts auf der IAA Nutzfahrzeuge 2018 konsequent fortbeschreiten. „Die letztendliche Anwendung unserer Forschungsergebnisse in industriellen Prozessen ist ein wichtiges Ziel unserer Arbeiten. Insofern freut es mich, dass wir mit dem Integral-Chassis-Konzept von Hörmann Automotive ein ideales Beispiel haben, um unsere zwölfjährige Forschungsarbeit in eine serienfähige Anwendung zu überführen“, so Peter Groche. Dr. Thomas Vetter, Geschäftsführer der Hörmann Automotive GmbH, schließt sich an: „In Zeiten zunehmender Urbanisierung einerseits und gleichzeitig drohender, innerstädtischer Fahrverbote aufgrund hoher Kohlenstoffdioxid-Belastung andererseits, müssen wir Lösungen finden – auch und insbesondere für den zukünftigen innerstädtischen Lieferverkehr. Die Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt bringt uns dabei einen großen Schritt nach vorne.“